Ansicht-Karte
Eure Meinungen
Kathrin S. (55 J.), Köln
Kurz nach der Grenzöffnung habe ich meinen heutigen Mann kennengelernt, einen Kölner, der sich neugierig im Osten umschaute. Ich bin also gleich rübergekommen, habe hier „mein Leben gefunden“ und fahre nur noch zu Besuch nach Erfurt. Manchmal kommt es mir vor, als würden hier alle auf etwas warten, dabei soll sich aber nichts verändern. Ich kann das schwer aushalten.
Dieter G., Dresden
Als ich Anfang 20 war verschwand der Staat, in dem ich aufgewachsen bin. Ich habe mich gefreut, weil ich glaubte nun in der freien Welt zu leben. Wenn ich zurückschaue stimmt das nicht. Wenige Menschen besitzen das Land und die Häuser. Um meine Miete zu bezahlen, muss ich jede Arbeit annehmen. Früher hat uns eine Partei betimmt, die ich nie gewählt habe. Heute sind es die Menschen mit Geld, die ich nie gewählt habe.
Leon (20 J), Jena
Mir ist das Ost-West-Bashing zu langweilig. Spannend wird es doch erst, wenn Spanier und Bayern in Thüringen darüber diskutieren, ob Döner oder Pizza besser zum Rotwein aus Frankreich passt … 🙂 … oder so ähnlich. Also Kopf hoch und den Weitwinkel einschalten.
Carola J. (52 J), Berlin
Heute stellt sich die Frage gar nicht mehr. Ich lebe seit fast 30 Jahren im Westteil von Berlin, aber an vielen Stellen ist der Ostteil heute schöner. Macht nichts, ich kann ja einfach hin und her fahren. Das ist toll. (Warum findet man die Karten nicht in Berlin?)
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Redaktion: Die Ansicht-Karten liegen nur im Süden der ehemaligen DDR aus (Cottbus, Halle, in Sachsen und Thüringen). Aber sie werden von dort quer durch Deutschland verschickt.
Elke (27), Leipzig
Das hört sich wieder nach Wessi-Ossi-Denken an. Können wir uns nach dreißig Jahren nicht endlich mal als ein Land verstehen und mehr in die gemeinsame Zukunft denken?
Gabriele, Zwickau
Ich habe mit Nachbarn über diese Karte geredet. Alle Nachbarn die schon damals in Zwickau lebten, sind auch geblieben. Viele kennen sich schon seit 50 Jahren oder länger. Viele in der BRD geborene Kinder sind in andere Weststädte gezogen und haben dort eine Ausbildung angefangen und sind geblieben. Ich hätte auch gehen können, aber ich glaube, ich habe hier alles was ich brauche, vor allem meine Fmilie.
Paul, Weimar
Ich weiß von meiner Mutter, dass sie geweint hat als die Grenzen aufging, weil sie traurig war. Für sie war die DDR ihre Heimat, in der sie aufgewachsen ist, nicht alles sei schlecht gewesen. Sie sagt immer, „es war ein Anfang und es war ein Versuch“. Zurück will sie heute trotzdem nicht mehr.
Für mich bleibt die ganze DDR-Geschichte voller Widersprüche. Ich mag diese Ost-Menschen, kann aber ihren früheren Staat nur ablehnen. Ich glaube, ich wäre damals rübergegangen.
Kathrin, Erfurt
Ich habe mir eben die Meinungen zu den Karte durchgelesen. Lale aus Berlin schreibt weiter unten, sie sei aus dem Westen „… in den Osten heimgekehrt und habe hier einen neuen Partner gefunden: unter Ossis versteht man sich besser.“
Liebe Lale, wenn Beziehungen scheitern ist es meistens bitter, schön, wenn sich dann jemand neues findet. Aber nichts ist Grund genug, um sich das ostdeutsche Schneckenhaus wieder einzurichten. Das ist zu einfach!
Es wird nach dreißig Jahren auch langsam mal Zeit, dass wir diese bockige Einteilung in Ost- und Westmenschen hinter uns lassen. Hinterm Schneckenhaus geht’s weiter! Da liegt jede Menge Deutschland, in dem Thüringer, Brandeburger, Sachsen, Hessen, Schwaben, Bayern und wer auch immer hin und her wuseln, mit ihren anstrengenden Macken und mit ihren Stärken. Das ist gut so!